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Bindemittel

Bindemittel in der Kunst – Definition, Arten und Bedeutung

📌 Definition und Funktion

Ein Bindemittel ist ein grundlegender Bestandteil jeder Malfarbe oder Beschichtung und erfüllt die wichtige Aufgabe, die Pigmente miteinander sowie auf dem Bildträger zu verbinden. Bindemittel gewährleisten, dass die Pigmente dauerhaft auf dem Untergrund haften und nicht abblättern oder abreiben. Neben Pigmenten und Lösemitteln gehören Bindemittel zu den entscheidenden Bestandteilen aller Farben, Lacke und Grundierungen.


đź§Ş Zusammensetzung und Eigenschaften

Bindemittel bestehen aus unterschiedlichen chemischen Stoffen, die meist natĂĽrlichen oder synthetischen Ursprungs sind. Sie beeinflussen direkt die Eigenschaften der Farbe, wie:

  • Trocknungszeit
  • Deckkraft oder Transparenz
  • Glanzgrad (matt, seidenmatt, glänzend)
  • Beständigkeit gegenĂĽber äuĂźeren EinflĂĽssen (UV-Licht, Feuchtigkeit, mechanische Belastung)

🎨 Historische und moderne Bindemitteltypen

Die Geschichte der Kunst zeigt eine Vielzahl von Bindemitteln, die in verschiedenen Epochen und Techniken bevorzugt wurden:

1. Ei (Eitempera)

  • Bestandteile: Eigelb, Wasser, manchmal Leinöl oder Harz.
  • Eigenschaften: Rasch trocknend, matt, stabil, gut haltbar.
  • Verwendung: Mittelalterliche Tafelmalerei, Ikonen, Renaissance.

2. Leinöl (Ölfarbe)

  • Bestandteile: Leinöl (aus Leinsamen gewonnen).
  • Eigenschaften: Langsam trocknend, hochglänzend, elastisch, langlebig, ermöglicht feine Farbverläufe.
  • Verwendung: Seit dem 15. Jahrhundert dominierend in der europäischen Malerei.

3. Harze (Firnis und Lacke)

  • Bestandteile: Naturharze (Dammar, Mastix, Schellack), später synthetische Harze (Acrylharze).
  • Eigenschaften: Transparent, glänzend, wasserabweisend, schĂĽtzend, jedoch vergilbungsanfällig.
  • Verwendung: Firnisse, transparente Schutzschichten, Lackierungen von Möbeln und Instrumenten.

4. Gummi Arabicum (Aquarellfarbe)

  • Bestandteile: Pflanzliches Harz (aus Akazien gewonnen).
  • Eigenschaften: Wasserlöslich, transparent, glänzend, reversibel.
  • Verwendung: Aquarellmalerei, Gouache.

5. Kasein (Kaseinfarbe)

  • Bestandteile: MilcheiweiĂź, meist mit Kalk oder Borax versetzt.
  • Eigenschaften: Wasserlöslich vor Trocknung, wasserfest nach Trocknung, matt, gute Deckkraft.
  • Verwendung: Wandmalerei, historische Innenausmalung.

6. Knochen- oder Hautleim (Leimfarben, Grundierungen)

  • Bestandteile: Tierische EiweiĂźe (aus Knochen, Haut oder Sehnen gewonnen).
  • Eigenschaften: Wasserlöslich, gut haftend, empfindlich gegen Feuchtigkeit.
  • Verwendung: Historische Grundierungen, Leimfarben, RestaurierungsmaĂźnahmen.

7. Acrylharz (Acrylfarbe)

  • Bestandteile: Synthetisches Polymerharz auf Wasserbasis.
  • Eigenschaften: Schnell trocknend, wasserfest, flexibel, lichtecht, langlebig.
  • Verwendung: Moderne Malerei seit dem 20. Jahrhundert, Wandgestaltung.

⚗️ Wirkung der Bindemittel auf Maltechnik und RestaurierungRestaurierung Englisch: Restoration Französisch: Restauration Italienisch: Restauro Latein: Restauratio Maßnahmen zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Denkmals. Restaurierung – Wikipedia

Das gewählte Bindemittel entscheidet maßgeblich über den Charakter und die technische Realisierbarkeit eines Kunstwerks. Beispielsweise ermöglichen ölgebundene Farben weiche Übergänge und feine Detailarbeit aufgrund ihrer langen Trocknungszeit. Im Gegensatz dazu erzwingt eine Ei- oder Kaseintempera ein schnelles Arbeiten, schafft dafür aber extrem widerstandsfähige, langlebige Oberflächen.

In der Restaurierung sind genaue Kenntnisse der verwendeten Bindemittel unerlässlich. Die chemische Zusammensetzung bestimmt nicht nur die Wahl geeigneter Konservierungsmethoden und Restaurierungsmaterialien, sondern auch, wie empfindlich oder robust eine Oberfläche gegenüber bestimmten Umwelteinflüssen und Behandlungen reagiert.


🔍 Identifikation und Untersuchung

In restauratorischen Untersuchungen werden Bindemittel mithilfe spezieller Analyseverfahren bestimmt:

  • Mikroskopische Untersuchung: visuelle Einschätzung anhand typischer Oberflächenerscheinungen (z. B. CraquelĂ© bei Ă–lfarben).
  • Chemische Tests: Anlösen mit bestimmten Lösemitteln zur groben Einschätzung der Bindemittelgruppe.
  • Instrumentelle Analytik: FTIR-Spektroskopie, Raman-Spektroskopie, Gaschromatografie-Massenspektrometrie (GC-MS) fĂĽr exakte Bestimmung.

Die präzise Kenntnis der verwendeten Bindemittel ermöglicht Restaurator:innen sachgerechte Konservierungs- und Restaurierungsentscheidungen.


🚩 Häufige Probleme durch Bindemittelalterung

Im Laufe der Zeit verändern Bindemittel ihre Eigenschaften oft stark:

  • Vergilbung und Dunklung (v. a. Ă–lfirnisse und Leinölfarben)
  • Versprödung und Bildung von Rissen (CraquelĂ©)
  • Anfälligkeit fĂĽr Mikroorganismen (z. B. Leimfarben)
  • Ablösung oder Verlust der Malschicht durch versagende Haftkraft

Diese Alterungsprozesse müssen von Restaurator:innen erkannt und berücksichtigt werden, um geeignete Maßnahmen zur KonservierungKonservierung Englisch: Conservation Französisch: Conservation Italienisch: Conservazione Latein: Conservatio Erhaltung des aktuellen Zustands eines Denkmals, um weiteren Verfall zu verhindern. Konservierung – Wikipedia und Restaurierung zu planen und durchzuführen.


đź“– Zusammenfassung

Bindemittel spielen in der bildenden Kunst und Restaurierung eine entscheidende Rolle. Sie bestimmen sowohl die Herstellung und Qualität eines Kunstwerkes als auch dessen Verhalten bei Alterung und Restaurierung. Ein profundes Wissen um deren Eigenschaften, Geschichte und Anwendungsmöglichkeiten bildet daher die Basis einer verantwortungsvollen konservatorischen Praxis.


📚 Literaturempfehlungen

  • Max Doerner: „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“
  • Knut Nicolaus: „Gemälde – Untersucht, Entdeckt, Erforscht“
  • Manfred Koller: „Die Restaurierung von Gemälden und Skulpturen“

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